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Baubranche Schweiz – der Peak des Leidens ist erreicht

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Heute bestellt und bezahlt, aber erst in 12 Monaten geliefert! Bei Ausschreibungen keine Offerten erhalten! Im Juni ein Dutzend Offerten erhalten, und nur ein Unternehmen kann dieses Jahr noch liefern! Man bekommt die Waren schon noch, wenn man dafür den geforderten Aufpreis bezahlt!

So tönt und tönte es seit längerem in der Baubranche. Doch die erfahrenen Spezialisten im Baumanagement und -finanzierung sehen Silberstreifen am Horizont.

Dies ist der erste Teil einer Serie über Herausforderungen in der Baubranche Schweiz und die Deckungsprobleme bei den Versicherungslösungen.

Preisanstieg
Ein klarer Preisanstieg ist spürbar und ist teilweise eine Folge der Konflikte und Kriege. Ein anderer Teil ist aber auch hausgemacht resp. Preise werden teilweise angehoben ohne jegliche Basis. Reto von Allmen, Inhaber der Arcanus AG zeigt dies anhand von Dämmmaterialien. Diese sind knapp, da in den Fabriken in Spanien und Frankreich während der Pandemie nicht gearbeitet werden konnte. Die Verknappung konnte seither nicht aufgeholt werden und die Produzenten hätten auf die hohe Nachfrage mit einer Preiserhöhung von 3% reagiert. Einzelne Unternehmer hätten nochmals bis zu 5% draufgeschlagen und so das Produkt weiter verteuert.

Erschwerend kommt dazu, dass es kaum mehr Festpreise gibt. Romeo Andreoli, Projetleiter bei Stephan Häusler AG, nennt den Kauf von Armierungsstahl als Beispiel. Über Jahre hinweg konnte man die Preise bis zum Bau-Ende fixieren. Der Baumeister vereinbarte Jahreslieferverträge mit dem Stahllieferanten. Dies gab allen Beteiligten eine Preissicherheit. Heute sind die Preise nicht mehr fest, sie werden meist indexiert. Der Stahl wird portionenweise geliefert, und jedes Mal zu unterschiedlichen Konditionen. Die Differenz kann nicht weiterverrechnet werden.

Lieferschwierigkeiten
Extrem sind Lieferschwierigkeiten von Materialien und Komponenten, welche im Fernen Osten produziert werden. Das grosse Problem ist nicht mal der erhöhte Preis, sondern der Liefertermin. Man erhält lediglich eine Bestätigung der Bestellung, ohne verlässliche Lieferdaten und ohne Preissicherheit.

Romeo Andreoli hat eine interessante Anekdote dazu erlebt. Wärmepumpen, welche er im Februar bestellt hatte, sind noch immer nicht angekommen. Meist wurden bei solchen Themen der Krieg oder Corona als Grund angegeben. In diesem Fall teilte die Firmenleitung mit, sie seien Opfer eines Cyber-Angriffes geworden und hätten daher eine längere Zeit nicht produzieren können.

Auch Reto von Allmen erlebt ähnliches. Bei Balkongeländern fehlt die Füllung, welche einfach nicht aus Italien ankam oder für 400 neue Wohnung wurden lediglich 10 Storen Motoren geliefert. Dies ziehe sich seit 2020 durch.

Viel früher planen
Die Auswirkungen der Preisanstiege und der Lieferschwierigkeiten sind einschneidend, speziell bei Objekten, welche vom Immobilen-Unternehmer verkauft werden. Der Endkunde muss frühzeitig informiert werden über die schwierige Situation und Konventionalstrafen müssen ausgeklammert werden.

Der Zeitfaktor ist beim Bau von Wohngebäuden weniger kritisch als bei Gewerbeimmobilien. Büroräumlichkeiten oder Ladengeschäfte benötigt der Kunde eher kurzfristig und jede Verzögerung des Bezugs kann weniger Umsatz bedeuten.

Situation hat auch etwas Positives
Die Herausforderungen betreffen alle Marktteilnehmer. Romeo Andreoli, hat das Gefühl, dass das gegenseitige Verständnis für die Probleme zugenommen hat. Früher war man noch schneller empört, aber schlussendlich sitzen alle im selben Boot.

Ähnliches erlebt auch Thomas Kaul, CFO bei Intershop Management, einem Unternehmen, welches ein grosses Portfolio von Immobilien in der Vermietung hat. So ist das Unternehmen während der Pandemie einzelnen Mietern entgegengekommen und hat die Mieten teilweise reduziert. Schliesslich hat auch ein Vermieter ein grosses Interesse an langfristigen Partnerschaften. Trotzdem hat man in diesem Jahr höhere Debitorenverluste zu verbuchen als in den letzten Jahren.

Zukunftsaussichten – von gespannt bis rosig
Grosse Sorge haben die Marktteilnehmer bezüglich dem Fachkräftemangel. Und mit der Pensionierung der sogenannten Baby-Boomer, werden noch mehr Personen die Branche verlassen. Und diese zu ersetzen, wird schwierig.

Thomas Kaul führt weitere Themen an. Die Zinserhöhungen bringen eine zusätzliche Unsicherheit in die Branche. Ihn beschäftigt die Frage, wo sich die Zinsen hinbewegen und welchen Einfluss dies auf Immobilien als Anlagekategorie hat. Dazu sei die Arbeitslosigkeit nach wie vor auf einem tiefen Niveau und die Zuwanderung gleichzeitig gross. Das bedeutet, dass sowohl im Bereich Wohnen viel absorbiert wird und gleichzeitig auch Büroräumlichkeiten und Arbeitsplätze benötigt werden. Solange die Schweiz nicht in eine Rezession gerate, beruhigt ihn diese Situation.

Die grösste Herausforderung für die Branche sieht Thomas Kaul in den Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Die Gebäude müssen inskünftig noch nachhaltiger gebaut werden. Dies sei absolut richtig und notwendig. Gleichzeitig werde dies mittelfristig einen direkten Einfluss auf die Immobilienpreise haben.

Die Herausforderungen und die Risiken bleiben vielfältig. Entscheidend ist daher, dass man die Risiken richtig einschätzt und wo möglich auch absichert. Dazu empfiehlt sich der Beizug eines Spezialisten, welcher gleichermassen in der Baubranche und der Versicherungswelt zu Hause ist.